Wer Kinder beim Spielen beobachtet, weiss, wie intensiv diese sich in ihrer eigenen Welt befinden können. Ihrer Fantasie und Vorstellungskraft sind keine Grenzen gesetzt. Alles andere, was um sie herum geschieht, wird ausgeblendet. Sie funktionieren noch sehr stark über die rechte Hirnhälfte, welche der Intuition, inneren Bildern, der Nachahmung und Wahrnehmungsfähigkeit zugeordnet ist. Diese wird dem weiblichen Prinzip zugeordnet. Mit dem Heranwachsen des Kindes tritt nun vermehrt das männliche Prinzip, also die linke Hirnhälfte in den Vordergrund. Für das abstrakte Lernen, für Struktur und Ordnung und für das Realitätsdenken muss nun das Kind seine linke Hirnhälfte schulen. Dies geschieht vor allem ab dem Schulalter. Ideal ist, wenn das Kind nun lernen kann, wie es mit beiden Hirnhälften arbeiten kann und wo es sinnvoll ist, nur die eine zu gebrauchen. Diesbezüglich sind auch wir Erwachsenen immer wieder im Lernprozess.
Kleines Beispiel: Sie möchten weggehen und ihre Sonnenbrille einpacken, doch diese ist nicht am gewohnten Platz. Sie wissen nicht mehr, wo sie sie hingelegt haben. Alles gedankliche Durchchecken und Durchsuchen der Regale und Schubladen hilft ihnen nicht weiter. Dies alles tun sie mit der linken, männlichen Hirnhälfte. Nun überlegen sie, wo sie das letzte Mal mit Sonnenbrille waren und erkennen, dass sie mit dem Auto und mit aufgesetzter Sonnenbrille heimfuhren. Ab jetzt arbeiten sie mit der rechten, intuitiven, weiblichen Hirnhälfte und stellen sich vor, wie sie damals aus dem Auto stiegen, ins Haus gingen usw. Sie lassen einfach „den Film laufen“ wie sie sich damals verhalten haben –und siehe da, sie „sehen“ wo sie die Sonnenbrille hingelegt haben. Kennen Sie solche Beispiele? Wenn nicht, dann probieren sie es aus. Es erspart ihnen Zeit.
Kinder beherrschen dieses switchen mit den Hirnhälften noch sehr gut, verlieren jedoch leider oft im Schulalter diese Fähigkeit, weil vermehrt der Intellekt, nicht aber die intuitive Wahrnehmung gefördert wird. Nun gibt es aber Kinder, welche sehr stark mit ihrer Wahrnehmung –mit ihrer wahren Welt- verbunden sind und Mühe haben, ihre inneren Bilder in ein Verhältnis zur äusseren Realität zu setzen. Diesen Kindern wird oft das Lügen vorgeworfen. Sie fantasieren oder fabulieren. Das wird vor allem dann schwierig, wenn ein Sachverhalt wiedergegeben werden sollte und das Kind nicht mehr unterscheiden kann, was in seinen inneren Bildern ablief und was tatsächlich vorgefallen ist. Für das Kind aber ist alles was es sagt wahr, weil es dies so empfindet und es ist sehr irritiert, wenn es nicht ernst genommen wird. Es fühlt sich als falsch funktionierend und nicht angenommen. Das stürzt nicht nur das Kind, sondern auch die Eltern in grosse Not. Eine starke Vorstellungskraft kann ein Segen sein, Ideen können nur so sprudeln und eine blühende Fantasie kann neue Errungenschaften kreieren. Aber sie kann auch sehr deprimierend und frustrierend sein, weil das Kind spürt, dass man ihm nicht glaubt. Erwachsene, Eltern wie auch Lehrpersonen, sind immer verunsichert, ob das Kind die Wahrheit sagt oder nicht. Für das Kind aber ist es die Wahrheit, seine Wahrheit, seine Empfindung und es schmerzt sehr, wenn es hören muss, dass es lügt. Es droht auch die Gefahr, dass man dem Kind gerade dann nicht glaubt, wo es angebracht und wichtig wäre.
In der Regel haben Mütter und auch Väter genügend Einfühlungsvermögen, um zu spüren, dass ihr Kind nicht einfach lügt, sondern Mühe hat mit der Unterscheidung von Fantasie und Realität. Trotzdem ist es unumgänglich, dem Kind immer wieder den Unterschied zu erklären und es behutsam und mit viel Verständnis in die realistische Welt zu führen.
Der Einblick ins Kosmogramm des Kindes ist hierzu sehr hilfreich. Daraus ist nicht nur das intuitive und sensitive Potenzial ersichtlich, sondern auch seine Lernmöglichkeit zum Erfassen der realistischen Welt. Es braucht Zeit, Geduld und viele Übungen, aber mit einer auf das Kind abgestimmten Lernmethode und Kommunikation lernt es Schritt um Schritt den Unterschied zwischen Fantasie und Realität immer besser kennen. So kann es sich in der realen Welt behaupten und sich trotzdem seine Intuition und Inspiration bewahren.